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An Karneval begann der Krieg

Das Haus ist bunt geschmückt, Kostüme liegen bereit, das Karnevalsfrühstück steht in den Startlöchern. Und dann die Nachricht: Russische Truppen sind in die Ukraine einmarschiert.
Die Welt steht still, hält die Luft an. Darf man Karneval feiern, wenn in Europa gerade eine Kriegserklärung stattgefunden hat? Dem russischen Präsidenten bloß keine Macht über unsere Freizeitgestaltung geben, denken wir verunsichert, aber trotzig.

Die Bewohner trifft die Nachricht härter als uns Mitarbeitende, haben doch viele die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und seine Auswirkungen selbst erlebt. „Nie wieder Krieg“ ist dieser Tage noch häufiger als sonst in den Bewohnerzimmern zu hören.

Heute ist es also soweit: Doch wieder Krieg. „Da hat man gar keine Lust, Karneval zu feiern“ flüstert der eine oder die andere, als wir Sozialdienstler sie in die Wohnküchen holen. Und dennoch muss ja gefrühstückt werden…

Was tun, wenn man nicht weiter weiß? Beten! Wir bringen unsere Fassungslosigkeit und Ohnmacht vor Gott, empfehlen ihm unsere Sorgen und die Menschen in der Ukraine.
Und so ganz langsam, mit immer leichteren Herzen, und weil wir jetzt sowieso nichts mehr tun können, können wir doch ein wenig Weiberkarneval feiern, Schunkellieder singen, Sekt „süppeln“, die kulinarischen Köstlichkeiten genießen und – ja – auch lachen.

Am Nachmittag trifft sich die Bewohnerschaft zur Feier in der Caféteria. Dorthin ist tatsächlich auch eine russische Prinzessin gekommen, Olga heißt sie, aber meistens Schwester M. Hiltrud. Prinzessin Olga platzt fast vor Wut und ist kurz davor, in die Heimat zu reisen, um dem Präsidenten mal gehörig die Meinung zu sagen!

Wir wissen heute, dass sie dort keinen Erfolg hatte. Aber an diesem ambivalenten Karnevalstag 2022 hat sie die Ohnmacht und Wut in Worte gefasst und allen damit aus der Seele gesprochen. Damit sich die Anspannung ein wenig löst, man wieder Luft bekommt.

Und es letztendlich – auch wenn es zynisch klingt – so macht, wie es schon Kohelet empfielt:
Das ist das Schlimme an allem, was unter der Sonne getan wurde, dass … in den Menschen … die Lust zum Bösen wächst und Verblendung ihren Geist erfasst.

Also: Iss freudig dein Brot und trink vergnügt deinen Wein; Trag jederzeit frische Kleider und nie fehle duftendes Öl auf deinem Haupt! … Genieß das Leben alle Tage deines Lebens, die er dir unter der Sonne geschenkt hat! (Prediger 6,1-9)

Und deshalb verteilt Prinzessin Olga am Ende auch ordentlich Kamelle!


E. Bömken


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